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Inklusion am Biobauernhof 3er-Hof

Der 3er-Hof (der Name ist durch die Hausnummer 3 und den Straßennamen „Hof“ entstanden) ist eine familiengeführte Biolandwirtschaft, die bereits in fünfter Generation bewirtschaftet wird. In den 90ern noch als ortstypischer Milchviehbetrieb geführt, entwickelte sich der Hof über die Jahrzehnte hinweg zu einem Ort, wo Inklusion so beginnt: Der Bauernhof öffnet seine Hoftore und „Fremde“ sind willkommen. Heute trägt der 3er-Hof das Motto „Wo Mensch, Tier und Natur aufblühen“.

Für Familie Hieret, welche den Betrieb führt, bedeutet Inklusion in erster Linie, alle Menschen mit der Natur, den Tieren und der Landwirtschaft zu verbinden. Ein guter Ansatz, um Wertschätzung für die regionale Kreislaufwirtschaft und Wertschöpfungskette zu bilden.
Die klassische Landwirtschaft am 3er-Hof besteht aus dem regenerativen Ackerbau und einer Kompostieranlage. In den frühen 2000ern wurden den Menschen die Hoftore mit dem Biohofladen und der Biobackstube geöffnet. Diese wurden einige Jahre später aus wirtschaftlichen und persönlichen Gründen (Burnout von Betriebsführerin Eva) wieder geschlossen und die Gebäude standen leer.

Der 3er Hof
Wenn sich eine Türe schließt, öffnet sich eine andere. Durch Evas gesundheitliche Krise wandte sie sich wieder mehr den Tieren zu, bei denen sie bereits als Kleinkind Zuflucht und Halt fand und somit begann sie unbewusst die ersten Sessions von tiergestützter Intervention. Manches hat eine Wirkung auf uns, die wir im ersten Moment bewusst nicht wahrnehmen, wie die Wirkung von Tieren und der Natur auf uns Menschen. Es zieht uns dorthin, wir sind magisch angezogen wie von einem imposanten Berggipfel. Eva fand durch den intensiven Kontakt zu ihrer Schafherde wieder Kraft und schmiedete neue Ideen für die Zukunft. Schließlich stieß sie auf das Konzept „Green Care", welches im Rahmen einer Betriebsexkursion in den Niederlanden vorgestellt wurde. Green Care steht für Interaktionen und Aktivitäten zwischen Mensch, Tier und Natur. Pionierin Nicole Prop, ehemals Geschäftsführerin von Green Care Österreich, suchte nach Betrieben in Österreich, welche diese Idee umsetzen wollten. Der Grundstein für eine langfristige Kooperation war geschaffen.

Eva begann, sich im pädagogischen und sozialen Bereich weiterzubilden und schloss auch die Ausbildung für tiergestützte Interventionen ab, die vom österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung durchgeführt wurde. Diese Ausbildung war geschaffen für Bäuer:innen mit pädagogischem/sozialen Hintergrund bzw. gesundheitlicher Ausbildung, die ihre Kernkompetenzen verbinden wollten. Die Tiere am Hof, insbesondere die Schafherde, wurden gezähmt und trainiert auf den Umgang mit Menschen, mittlerweile gibt es viele zertifizierte Therapietiere am Hof: Schafe, Mini-Schweine, Hühner und Pferde. Die Schafe entwickelten sich zu richtigen „Kuschelschafen", die den Kontakt mit den Menschen besonders lieben und genießen.

2015 wurde ein Green Care Pilotprojekt am 3er-Hof geschaffen: Die geschlossene Backstube wurde revitalisiert und wird jetzt, stand 2025, bereits zehn Jahre in Kooperation mit Jugend am Werk als Werkstätte für Menschen mit Behinderung betrieben. Bis zu 8 Teilnehmer:innen haben in der Bäckerei, die von Montag bis Freitag geöffnet hat, ihren festen Arbeitsplatz gefunden. Ein Arbeitsplatz inmitten von Naturidylle und Bauernhoftieren, aber auch alltäglichen Herausforderungen am Bauernhof wie den neugierigen Exkursionsbesuchern, die auch das Konzept der Green Care Backstube besichtigen möchten und trockenen Wasserleitungen, wenn der Hofbrunnen gerade aufgrund von Trockenheit kein Wasser führt. Eben Bauernhofleben pur!

eine junge Frau (Verena Hieret) steht in einem Getreidefeld
Verena Hieret
Die Entscheidung, eine Kooperation mit Jugend am Werk einzugehen und eine Tagesstruktur auf dem Bauernhof zu gestalten, musste vorab im Familienbetrieb geklärt werden, wo durchaus etwas Skepsis herrschte. Schließlich waren keine Vorerfahrungen mit beeinträchtigten Menschen gegeben. Sich dafür zu entscheiden machte sich jedoch bezahlt, denn das gemeinsame Sein und Arbeiten am Bauernhof stellte sich als großer Zugewinn für alle Beteiligten heraus. Die Biolandwirtschaft lebt in Symbiose mit der Backstube. Einmal pro Woche schnappt sich Eva die Teilnehmer:innen aus der Bäckerei und es werden Natur- und Tiererfahrungen gesammelt. Es wird gegartelt, Ball gespielt, Pferde werden gestriegelt und es werden Spaziergänge rund um die bestellten Äcker gemacht.

Der Biohof entwickelte das Green Care Standbein fortlaufend weiter. Beim Projekt „Schule am Bauernhof“ können Kinder und Jugendliche aller Altersklassen Workshops am Bauernhof besuchen. Mit „Familienzeit am Bauernhof“ haben Kinder (und Erwachsene) auch die Möglichkeit, den Bauernhof mit der Familie oder mit Freunden außerhalb der Schulzeit zu besuchen und einen ganz persönlichen Blick „hinter die Kulissen“ zu werfen oder einfach nur eine Stunde lang intensiv mit den Schafen zu kuscheln. Auch Kindergeburtstage und Feriencamps werden am Bauernhof angeboten. Der Kontakt zur Backstube ist hier sehr intensiv, denn wenn Schulklassen zum Hof kommen, gibt es frische Vintschgerln aus der Bäckerei und auch bei den Feriencamps genießen die Kinder das leckere Gebäck aus der Backstube. Umgekehrt wird Mehl direkt vom Hof bezogen und die Eier fürs Backen werden täglich von den Teilnehmer:innen direkt aus dem Hühnerstall geholt. Frischer und ehrlicher geht es nicht mehr, oder?

Tiere können Herzen öffnen, die uns Menschen manchmal verschlossen bleiben. Die tiergestützten Interventionen laufen seit vielen Jahren am Hof. Dabei können Einzelpersonen oder Gruppen aus verschiedenen Lebenssituationen heraus, sei es eine herausfordernde Zeit, eine seelische oder körperliche Beeinträchtigung, von der positiven Wirkung der Tiere und des Bauernhofumfelds profitieren.

Stärken stärken, Ängste überwinden, gemeinsam mit den Tieren zu neuem Selbstbewusstsein im Alltag finden, Ressourcen entdecken, im Hier und Jetzt sein. Lebensfreude spüren. Wieder ruhig sein können, durchatmen, sich geborgen und verbunden fühlen. Von Herz zu Herz. Das sind tiergestützte Interventionen.

spielende Kinder in der Natur, im Hintergrund Pferde
Foto Ulrich Zinell
Die Natur und die Tierwelt leben uns Inklusion am besten vor, denn da wird kein Unterschied gemacht, egal wie du bist, wie du sprichst, wie du lebst und wie du aussiehst. Das Pferd drückt seine samtige Nase in deine Hände. Die Federn des Huhns fühlen sich so weich an wie Wolken. Das Schwein liegt seelig mit allen Vieren von sich gestreckt im Gras, während du es streichelst. Und Schaf Alba geht so weit, sie stupst dich mit ihrem Fuß an, sobald du aufhörst, sie zu streicheln.  

Inklusion im menschlichen Bereich ist ebenso ein Thema wie die Inklusion der Gesellschaft in das bäuerliche Leben. Das Spannungsfeld zwischen den produzierenden Bäuer:innen und den Konsument:innen, die die Wichtigkeit des lokalen Einkaufs, die Unabdingbarkeit des Bauernstandes nicht begreifen können. Grund ist die kognitive und emotionale Distanz zum Ursprung der Lebensmittel in unserer urbanisierten Gesellschaft. Somit braucht es Inklusion auf allen Ebenen und wir vom 3er-Hof sind zutiefst erfüllt von der Aufgabe, unseren Beitrag dazu leisten zu dürfen.

2024 wurde der Green Care Imagefilm bei uns am Bauernhof gedreht. Der Film macht das Konzept in zwei Minuten begreiflich. Interessant daran ist, dass bei diesem Film keine Schauspieler angeheuert wurden, alle Protagonist:innen sind ein Teil des 3er-Hofs, sei es als Teil der Bauernfamilie (im Film kommen 4 Generationen vor) oder auch als Teilnehmer:in eines Green Care Projektes.

Eva Hieret und ihre Schafe
10.10.2025 • aktualisiert am 14.10.2025