Wenn Verstand, Glück und Gemeinschaft ...
... zusammentreffen, dann hat das auch manchmal mit Hochwasser zu tun.
Als wir uns unser Haus in Neulengbach am Anzbach kauften, war uns die Gefahr eines Hochwassers sehr wohl bewusst. Trotzdem blieb HQ30 (30 jährliche Hochwasserwahrscheinlichkeit) bis vor kurzem ein abstrakter Begriff, sodass dieses Szenario auch leicht zur Seite geschoben werden kann.
Unser Zuhause wurde 1929 errichtet und es scheint, dass sich die Erbauer damals der Gefahr eines Hochwassers durchaus bewusst gewesen sind, worauf zumindest das erhöhte Erdgeschoß schließen lässt. Einzig die Kellerfenster erschienen uns als gefährliche Quelle eines Wassereintritts, weshalb wir gleich am Anfang mobile Abschottungen für die Kellerfenster sowie eine Rückstauklappe beim Kanal vorgesehen haben. Mit dem zusätzlichen Erwerb von zwei Pumpen und Schläuchen kamen wir uns somit ausreichend vorbereitet vor. Da sich jedoch der Umgang mit einer Naturkatastrophe nicht erproben lässt, war das Hochwasser im September 2025 eine ordentliche Feuertaufe für uns.
Unser Nachbar hatte schon Tage zuvor mehrere Wetterdienste befragt und es stellte sich heraus, dass seine Nervosität mehr als begründet war. Zum Glück schwappte die Vorsicht über die Grundstücksgrenze zu uns über und wir begannen mit den Vorbereitungen im Haus und am Anzbach. Die Schotten wurden installiert, die Rückstauklappe gereinigt und überprüft, die Pumpen angebracht und das Auto zum Kirchenparkplatz gestellt. Weiters haben wir einen Strauch im Bachbett zurechtgeschnitten damit eine Verklausung verhindert werden könnte. Daraufhin beobachteten wir den Pegel des Anzbachs regelmäßig und bis zum Nachmittag des Samstags, dem 6. September war der Anstieg eher langsam. ABER… einige Stunden später war das Erdreich offenbar gesättigt und es ging los. An eine ruhige Nacht war nicht mehr zu denken. Der Bach stieg plötzlich deutlich schneller, trat am späten Abend über die Ufer und gegen 01:00 Uhr Früh war unser Grundstück bereits zum Teil unter Wasser.
Schlagartig mit dem Wasser im Garten kam auch das Wasser in den Keller. Ritzen und Fugen, die vorher nie aufgefallen waren, wurden zum Schauplatz einzelner glasklarer Springbrunnen – wildromantisch, wenn diese nicht im eigenen Keller gewesen wären. Aus einem vermeintlich dichten Gully quoll schmutziges Wasser und die Pumpen liefen los. Schnell wurde uns klar, dass unsere zwei Pumpen zu wenig Leistung dafür hatten, doch zum Glück waren etwas höher gelegene Nachbarn um 3 Uhr in der Nacht erreichbar und versorgten uns mit einer weiteren Pumpe. Die Stunden vergingen, das Wasser stieg nur mehr langsam an, aber immer noch stetig. Die Pumpen wurden immer überprüft und Schwachstellen ausgebessert. Kurzum: man musste dauerhaft im Keller sein, nur so war ein großer Schaden zu vermeiden. Unsere größte Sorge, es würde zu einem Stromausfall kommen, wurde glücklicherweise nicht Realität.
Aufgrund unseres höher gelegenen Erdgeschoßes war eine Evakuierung nie notwendig, obwohl wir für kurze Zeit vollkommen von Wasser umgeben waren. So warteten wir als ganze Familie die Situation im Haus ab. Sogar der Geburtstag unserer Tochter konnte ein wenig gefeiert werden, was uns für kurze Zeit eine gewisse Normalität an diesem Tag einbrachte.
Der Spuck verging dann zum Glück für uns so schnell wie er gekommen war und wir haben alles mit wenigen Schäden überstanden, da wir das Wasserniveau im Keller auf 25cm halten konnten.

Was wir daraus gelernt haben:
- Bei Ankündigung eines Starkregenereignisses sollte man Informationen von unterschiedlichen Wetterdiensten einholen.
- Vorbereitung ist essenziell: Jeder Haushalt sollte Pumpen samt Schläuchen zu Hause haben. Die Gerätschaften sollten so klar wie möglich beisammen aufbewahrt werden und Maßnahmen klar kommuniziert sein, damit auch Außenstehende wissen, was im Ernstfall zu tun ist (zB. wenn man auf Urlaub ist).
- Es ist unumgänglich rechtzeitig vorbereitende Maßnahmen zu setzen.
- Während des Ereignisses ist eine dauerhafte Anwesenheit und Beobachtung wesentlich (auch in der Nacht).
- Nachbarschaftshilfe kann viele Schäden verhindern.

Folgende Dinge sind empfehlenswert zu haben:
- Ausreichend Pumpen (je nach Haushalt unterschiedlich, jedoch mindestens 2 Stk für den Eigengebrauch und eine zum Verborgen 😊 - dh 3 Stk in Summe).
- Strategien, wie man das Wasser über Schläuche nach draußen bringt (hier muss man bedenken, dass jeder Knick im Schlauch eine erhebliche Senkung der Pumpleistung bewirkt).
- Pro Pumpe ein Pumpensumpf (in unserem Fall haben wir diesw nun nachgerüstet).
- Schotten bei Fenstern und Eingängen (Achtung: Schotten und Pumpenschlauchführung dürfen sich nicht gegenseitig behindern). Zu beachten ist, dass ein Aufschwimmen des Hauses in jedem Fall zu verhindern ist. Daher muss vorher überprüft werden, welche Wasserhöhe abgehalten werden kann. Diese wird mit dem Gewicht des Gebäudes bewertet.
- Ein ausreichendes Stromaggregat (ACHTUNG nicht auf die Wartung vergessen).

Nach dem Hochwasser
Mit Verstand, weil wir uns vorbereitet haben, stetig dabei waren und die Situation nicht auf die leichte Schulter genommen haben.
Mit Glück, weil der Strom nicht ausgefallen ist, das Hochwasser nicht schwallartig (zB: durch einen Dammbruch) angestiegen ist und die Lage des Hauses sowie die Bausubstanz Schlimmeres verhinderten.
Mit Gemeinschaft, weil ohne die Hilfe von den vielen Personen in der unmittelbaren Nachbarschaft, der Gemeinde und Feuerwehren alles viel, viel schlimmer gewesen wäre. Ganz persönlich gesprochen: wir wären ohne die zusätzliche Pumpen und Abstimmungen kläglich untergangen. DANKE!

Matthias Kendlbacher
Bauingenieur und Inhaber eines Ingenieurbüros für Bauphysik und Energieplanung in Wien (Larix Engineering GmbH)
