Freizeit für Alle?
- Du kannst dich nicht mit deinen Freunden treffen,
- nicht ins Kino gehen,
- keinen Sport betreiben,
- kein Konzert besuchen,
- an keiner Jugendgruppe teilnehmen,
- keinen Kreativ-Kurs besuchen,
- keinen Ausflug machen…
Wie können wir diesen Zustand verändern? Was können wir anbieten, damit auch Menschen mit Behinderungen in unseren Gemeinden, in unserer Region, ihre Freizeit selbstbestimmt und nach eigenen Wünschen gestalten können?
LEADER Projekt „Freizeit für Alle“
Nach vielen Gesprächen mit Eltern und Betroffenen und aufgrund eigener Erfahrungen haben wir vom Verein „Netzwerk Inklusion Nö“ das Pilotprojekt „Freizeit für Alle“ in der LEADER Region Elsbeere-Wienerwald (https://inklusion-noe.at/freizeit) ins Leben gerufen, welches nun schon seit März 2024 umgesetzt wird und dabei helfen soll, die vorhandenen Barrieren zu überwinden.Allerdings sind wir dabei auf die Unterstützung der Menschen in der Region angewiesen und daher freue ich mich über die Möglichkeit, hier etwas mehr über unser Projekt erzählen zu können.
Ausgangslage und Projektmotiv
Menschen mit Behinderungen, haben grundsätzlich die gleichen Rechte und Bedürfnisse ihre Freizeit so gestalten zu können, wie Menschen ohne Behinderung auch (siehe UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 30 „Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport“). Allerdings stoßen sie dabei auf vielfältige Hindernisse. Aufgrund ihres unterschiedlich hohen Unterstützungsbedarfs haben einige von ihnen kaum Möglichkeiten, selbständig an allgemeinen Freizeitangeboten teilzunehmen. Sie benötigen Begleitung, Unterstützung und das Entgegenkommen der Anbieter. Insbesondere für Jugendliche steht die Abhängigkeit von den Eltern in starkem Gegensatz zu ihrem Streben nach Autonomie und Unabhängigkeit.
Auch junge Erwachsene mit Behinderungen, die zu Hause oder in Einrichtungen leben, sind in der Gestaltung ihrer Freizeit von Angehörigen oder GruppenbetreuerInnen abhängig, sowie deren Verfügbarkeit.
Sozialraumanalyse 2022/23
Im Dezember 2022 wurde in der LEADER Region Elsbeere-Wienerwald eine sogenannte „Sozialraumanalyse“ zur Situation junger Menschen (Bedürfnisse, Ist-Stand, Handlungsnotwendigkeiten) durchgeführt, woran auch Menschen mit Behinderungen teilnahmen. In der Auswertung zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Jugendlichen mit und ohne Behinderung (s. Grafik):
Grafik Netzwerk Inklusion Nö, 2023 (Daten-Quelle: Social Identity Research)
Am auffälligsten ist der Unterschied im Bereich „mit Freunden etwas unternehmen“ und „auf private Partys gehen“ (40-50%).
Auch im Bereich Sport zeigen sich deutliche Unterschiede zu Jugendlichen ohne Behinderung: Sport treiben (43% weniger) sowie Sport-Events besuchen (25% Unterschied, keine Person mit Behinderung hat diese Freizeitaktivität angegeben).
Bei vielen weiteren Themenbereichen finden sich ebenfalls Unterschiede, wie z.B. Konzerte oder Lokale besuchen, in die Disco gehen, Zeit in einem Verein verbringen oder kreativen Tätigkeiten nachgehen.
Auf die Frage „Was fehlt in deiner Heimatgemeinde an Möglichkeiten für dich?“ wurde von Menschen mit Behinderungen mehrmals Freizeitassistenz, Inklusive Angebote und Freizeitfahrtendienst angegeben.
Zudem sehen sie Probleme bei Teilhabemöglichkeiten (Inklusion 35%) und dem fehlenden Miteinander in der Gesellschaft (38%). Anschluss zu finden ist für sie schwierig (42%), barrierefreie bzw. passende Freizeitangebote fehlen (31% / 24%) außerdem erfahren sie Einschränkungen durch fehlende Mobilität bzw. öffentliche Verkehrsmittel (28%). Nur etwa 35% sind mit den Angeboten für Jugendliche in ihrer Gemeinde zufrieden, während es bei den Jugendlichen ohne Behinderung 61% sind. Hier kann also nicht von Chancengleichheit gesprochen werden!
Und was bedeutet ein derartiger Mangel an Sozialkontakten und gesellschaftlicher Teilhabe? Es besteht die Gefahr, dass sich die Menschen aus der Gesellschaft zurückziehen. Jugendlichen werden Entwicklungschancen genommen, weil sie auf dem Weg zu mehr Autonomie und Kontakt zu anderen jungen Menschen kaum Möglichkeiten dazu finden. Gesundheitliche Probleme, Depressionen, Selbstisolierungstendenzen etc. sind die Folge.
Durch entsprechende Angebote und Bewusstseinsbildung könnte, ja muss hier gegengesteuert werden, denn auch Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf spannende, abwechslungsreiche oder ausgleichende Freizeiterlebnisse.
Ziel einer inklusiven Freizeitgestaltung ist aber nicht, eigene Angebote für Menschen mit Beeinträchtigung zu kreieren, sondern Möglichkeiten auszuloten, wie sie an allgemeinen Veranstaltungen oder Gruppenaktivitäten teilhaben können.

Zielsetzungen
Außerdem wollen wir Vereine und andere Anbieter von Freizeitangeboten für Inklusion sensibilisieren und ermutigen, ihre Angebote für Alle zu öffnen.
Zielgruppe
Zielgruppe sind Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene mit Behinderungen (ca. 6 – 30 Jahre), die Begleitung in der Freizeit benötigen und in der LEADER Region Elsbeere-Wienerwald leben. (Die Altersbeschränkung ergab sich aufgrund der Einreichung als Jugendprojekt.) Die Teilnahme am Projekt soll unabhängig von Art und Schweregrad der Behinderung bzw. der Höhe des Unterstützungsbedarfs ermöglicht werden.
LEADER Region Elsbeere-Wienerwald
Was machen FreizeitbegleiterInnen?
Die FreizeitbegleiterInnen unterstützen die TeilnehmerInnen dabei, eigene Interessen auszuloten, verschiedene Freizeitangebote in der Region kennen zu lernen und eine Möglichkeit zu finden, ihre Freizeitwünsche möglichst selbstbestimmt umzusetzen. Dabei ist sowohl eine 1:1 Begleitung möglich, als auch eine Unterstützung bei gemeinsamen Freizeitbeschäftigungen mit Freunden oder eine Teilnahme an allgemeinen Veranstaltungen und Angeboten.
Neben einer Einschulung in ihre Tätigkeit erhalten sie auch Fortbildungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel zum Thema „Unterstützte Kommunikation“ oder „Besonderheiten im Umgang mit Menschen mit Behinderungen (z.B. Down Syndrom)“. Regelmäßige Teambesprechungen dienen der Organisation und dem inhaltlichen Austausch.
Um das Projekt auszuweiten, sind wir stets auf der Suche nach weiteren FreizeitbegleiterInnen, nach interessierten Personen, die ein paar Stunden pro Monat Zeit haben, um mit jungen Leuten die Freizeit zu verbringen, Neues auszuprobieren und Spaß zu haben:
Unser Stelleninserat (bitte klicken)
Sensibilisierungskampagne
Im Zuge des Projekts wollen wir Vereine und andere Anbieter von Freizeitangeboten für Inklusion sensibilisieren und ermutigen, ihre Angebote für Alle zu öffnen. Neben persönlichen Gesprächen mit einzelnen Anbietern gibt es während der Projektlaufzeit (März 2024 - Februar 2027) für alle Interessierten (auch Gemeindeverantwortliche!) kostenlose Info-Veranstaltungen und Workshops rund um das Thema Behinderung und Inklusion. Alle sind dabei herzlich willkommen!

Checkliste barrierefreie Veranstaltungen als Download verlinkt

Piktogramme bzw. Bildunterstützung für Einfache Sprache (Netzwerk Inklusion Nö)
Weitere Veranstaltungen werden auf unserer Projekthomepage bekannt gegeben.

Wie ist es bisher gelaufen?
- Ins Kino gehen
- Ein Museum besuchen
- Ausflüge machen
- FreundInnen treffen
- Ins Fitnesscenter gehen
- Sport betreiben: Radfahren, Schwimmen, Walken
- In einem Tischtennis-Verein spielen
- In die Jungschargruppe gehen
- Beim Ferienspiel teilnehmen
- Training und Teilnahme am Frauenlauf St. Pölten
- Einen Kreativ-Kurs besuchen
- Tierbegegnungen
- Ein Konzert besuchen
- Shoppen gehen und Stadtbummel
- In einem Workshop Freizeitaktivitäten kennenlernen und auswählen
- Und vieles mehr
Auf der Suche nach geeigneten Freizeitmöglichkeiten sind wir vielfach auf offene Ohren gestoßen, z.B. bei den Streetworkern, bei der Jungschar, beim Ferienspiel, bei Kreativangeboten, bei Sportgruppen etc.
Es ist aber gar nicht so leicht, ein Angebot tatsächlich inklusiv zu gestalten. Dazu müssten alle Beteiligten wissen, was mit Inklusion gemeint ist, welche Möglichkeiten es gibt, alle miteinzubinden und was es heißt „inklusiv zu denken und zu handeln“. Aber viele gelungene Beispiele zeigen, dass es zwar etwas Mut braucht, um anzufangen, aber dass sich dann die vielfältigsten Möglichkeiten im Tun ergeben.
Nicht immer passen Angebote auf Anhieb, manchmal müssen verschiedene Schnuppertermine vereinbart werden, manchmal bedarf es Gespräche vorab bzw. Reflexionsgespräche mit zusätzlichen Informationen oder gemeinsames Nachdenken, wie eine Teilnahme besser gelingen kann. Manchmal muss man sich auch auf die Suche nach einem anderen Angebot machen…
Welche Ergebnisse erwarten wir
Wir hoffen mit unserem Pilotprojekt die Lebensqualität von jungen Menschen mit Behinderungen in der Region verbessern und die Teilhabechancen am gesellschaftlichen Leben fördern zu können.
Die Sensibilisierungskampagne, die Einbindung von lokalen Vereinen und Veranstaltern sowie gelebte Inklusion im Freizeitbereich soll zur Stärkung des Gemeinwesens und der gemeinsamen Verantwortlichkeit für ALLE Menschen, die in der Region leben (Community Care) führen. Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt sollen in die Entwicklung eines langfristigen Konzepts einfließen, damit das Modell der Freizeitbegleitung in der Region nachhaltig verankert werden kann.
Geht nicht, gibt`s nicht
Gerade der Lebensbereich Freizeit bietet die Chance, Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen zu überwinden und Inklusion voranzutreiben.
Gerne würde ich den Slogan der Alpenvereinsjugend „Geht nicht, gibt`s nicht“, dessen eindrucksvolle Umsetzung ich bei diversen Veranstaltungen bereits selbst erleben durfte, auch hier bei uns weiterverbreiten und alle Freizeitanbieter in der Region dazu aufrufen mitzumachen.
Was wir uns wünschen
Auf der einen Seite brauchen junge Menschen mit Behinderungen viel Mut Neues auszuprobieren und sich in einer Freizeitgruppe bzw. bei einer Veranstaltung zurechtzufinden.
Auf der anderen Seite braucht es von den Anbieter:innen:
⦁ Ein klares Zeichen: Ihr seid willkommen!!
z.B. auf Flyern, im Internet, in den sozialen Medien etc. Hinweise wie: Alle sind willkommen! Gib uns Bescheid, wenn du bei der Teilnahme Unterstützung brauchst etc.
⦁ Mut sich auf etwas Neues einzulassen
⦁ Bereitschaft, Barrieren abzubauen: auch diejenigen, die in unseren Köpfen sind („Das geht nicht…“)
⦁ Sich informieren: Wie gehe ich mit Menschen mit Behinderung um? Was ist Inklusion? Wie kann ich mein Angebot inklusiv (= offen für alle) gestalten?
⦁ Offene Kommunikation bei Schwierigkeiten: Was können wir anders machen? Wo brauchen wir Unterstützung? (z.B. eine FreizeitbegleiterIn, ein Gespräch, Aufklärung…)
Unser Projektteam steht bei der Umsetzung gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
Aufruf für Angebote
Im Rahmen des Projekts wollen wir Freizeitangebote, Vereinsaktivitäten, Freizeitgruppen, Kurse oder sonstige Veranstaltungen, die für Alle offen sind sammeln und auf unserer Projekt-Homepage unter „Freizeitangebote“ bekannt machen (https://inklusion-noe.at/freizeit/freizeitangebote). Auf diese Weise sehen Interessierte und ihre Familien, welche Angebote es gibt, und können einen Schnuppertermin vereinbaren. Und vielleicht haben dann auch andere Anbieter den Mut und das Interesse mitzuwirken. Wir bitten daher um eine Nachricht zu euren Angeboten an <Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spam Bots geschützt, zum Ansehen müssen Sie in Ihrem Browser JavaScript aktivieren.>und freuen uns auch über einen persönlichen Austausch.
Machen wir es wie die Alpenvereinsjugend „Geht nicht, gibt`s nicht“ und wagen wir uns auf das gemeinsame Abenteuer: Freizeit für Alle!
INKLUSION = Gemeinsam am Weg sein
