
Eine Kleinstadt blüht auf
Nach einer eingehenden Beschäftigung mit der Frage wie sich Zuzug auf die Wirtschaft auswirkt, zeigt sich, dass keine simple Antwort darauf möglich ist. Es konnte insgesamt eine große Deckung zwischen der Theorie und den Ergebnissen gezeigt werden. So entsprechen die Zuzüglerinnen und Zuzügler den vorangegangenen Annahmen, dass sie vorrangig gut gebildete Menschen aus Wien sind, von dort eine große Auswahl und Qualität gewohnt sind und sich im Lebenszyklus der Familienexpansion befinden. Aufgrund der Größe des Haushaltes und des eher höheren Verdienstes stellen sie insgesamt eine bedeutsame Konsumgruppe dar. Durch den generellen Wertewandel, der sich bei ihnen besonders stark bemerkbar macht, zu biologischen und regionalen Produkten, tendieren sie prinzipiell stark zum heimischen Markt, im Besonderen im Bereich der Nahversorgung.
Im mittelfristigen, wie auch im langfristigen Bereich spielen andere Faktoren eine ebenso große Rolle, hier macht sich eine starke Polyorientierung bemerkbar. Sie nutzen gerne auch weitere zentrale Orte der näheren Umgebung wie auch Shoppingcenter aufgrund diverser Ansprüche wie breiterer Sortimente, subjektiv oder objektiv empfundener Qualitätsansprüche oder Kopplungsverhalten. Daher kommt es in diesen Bereichen verstärkt zu einem Kaufkraftabfluss.
Einen weiteren wichtigen Faktor stellt der Online-Handel dar. Genutzt wird er vorrangig für Produkte, die im Ort nicht vorhanden sind oder wenn man ganz genau weiß, welches Produkt man möchte.
Schlussendlich kann gesagt werden, dass die Zugezogenen durchaus eine Bedeutung für die Wirtschaftstreibenden Neulengbachs haben, indem sie eine kaufkräftige Gruppe sind, die gerade den kurzfristigen Bedarf überwiegend in Neulengbach decken und auch die Gastronomie, Dienstleistungs- sowie die Sportangebote für Kinder gerne nutzen. Es besteht jedoch ein großer Spielraum nach oben, der durch eine Erweiterung der Kaufkraft-Eigenbindung hohe Summen mit sich bringen würde.
Hier stellt sich jedoch die Frage, ob der Kaufkraftabfluss im mittelfristigen wie auch im langfristigen Bereich überhaupt ein Phänomen ist, das allein bei den Zuzüglerinnen und Zuzüglern auftritt oder ob das nicht viel eher ein generelles Phänomen darstellt. Wenn sich diese These bestätigen würde, wäre es notwendig, auch die Ortsansässigen mit gezielten Maßnahmen verstärkt in das Wirtschaftsleben Neulengbachs einzubinden. Wobei sich hier die Frage stellt, ob die Ursachen für den Kaufkraftabfluss im mittelfristigen wie auch im langfristigen Bereich weniger in einer unzureichenden Einbindung der Zugezogenen oder der Ortsansässigen liegen, sondern eher in einem mangelnden Branchenmix sowie im Zentrale-Orte-Raumordnungsprogramm Niederösterreichs.
1.1 Problemstellung
Aus raumplanerischer Perspektive stellt sich aufgrund dessen die Aufgabe Konzepte, Strate-gien und Maßnahmen zu finden, um den Umlandgemeinden Wiens hilfreiche Instrumente zur Unterstützung im Umgang mit dem hohen Zuwachs der Bevölkerung aufgrund des Zuzugs anzubieten. Dieses Wachstum bringt sowohl Potenzial als auch Schwierigkeiten mit sich. Ei-niges wurde dazu bereits erforscht, von den Ursachen, den Akteuren bis zu den Integrations-maßnahmen. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern sich der Zuzug auf die lokalen Wirt-schaftstreibenden auswirkt, ob und in welcher Form die Zugezogenen auf die lokale Wirtschaft zugreifen und welche Maßnahmen die Gemeinden ergreifen können, um die Zugezogenen stär-ker in die lokale Wirtschaft zu integrieren. Der Beantwortung dieser Fragen möchte sich diese Arbeit widmen. Hier sei gleich eingangs angemerkt, dass die Gemeinden in ihrer geographi-schen Einbettung zu betrachten sind. In diesem konkreten Fall wird die Gemeinde Neuleng-bach im Agglomerationsraum Wiens verortet. Der Zuzug Neulengbachs wird daher im Kontext der Suburbanisierung betrachtet und die Wechselwirkungen von Stadt und Umland mitgedacht.

1.2 Motivation und Beweggründe für die Themenwahl
meine Mutter hier lebt, habe ich persönlich einen starken Bezug zu NÖ und möchte mich gerne im Rahmen meiner Masterarbeit mit diesem Bundesland näher auseinandersetzen.
Zuzug ist ein Thema, das Gemeinden oftmals vor große Herausforderungen stellt und das stark emotional diskutiert wird. Der Verein Aktive Wirtschaft Neulengbach will dieses Thema ins-besondere hinsichtlich der Bedeutung auf die lokale Wirtschaft wissenschaftlich unter die Lupe nehmen lassen und hat die folgende Forschungsfrage mit dem Titel: „DAB102 Eine Kleinstadt blüht auf – Die Bedeutung von Zuzug und Zweitwohnsitzen für lokale Wirtschaftstreibende“ ausgeschrieben. Nach Rücksprache mit den Betreuenden wurde die Arbeit um die Zweitwohn-sitzenden gekürzt, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen.
1.3 Zielsetzung
- Aufzeigen, wer die Zuzüglerinnen und Zuzügler sind, woher sie kommen, welchen beruflichen und bildungstechnischen Hintergrund sie haben und warum Neulengbach als neue Heimat gewählt wurde.
- Die wirtschaftliche Bedeutung der Zuzüglerinnen und Zuzügler für die lokale Wirtschaft Neulengbachs darzulegen. Die Tragweite der negativen Agglomerationseffekte Wiens aufzuzeigen.
- Analyse des Einkaufsverhaltens der Zuzüglerinnen und Zuzüglern: Wünsche, Verhalten, Lebensweise, Ansprüche sowie Einfluss der Digitalisierung (Online-Handel).
- Wissenschaftlich fundierte Aussagen über die Adressierung, Einbindung und Integration der Zugezogenen in das lokale Wirtschaftsleben einer Kleinstadt – Maßnahmen, Marketing und Kundenbindung - erbringen.
- Aufzeigen geeigneter Maßnahmen zur Sichtbarmachung lokaler Wirtschaftstreibender für Zugezogene.
Wer sind die Zugezogenen Neulengbachs?

Woher kommen die Zugezogenen

Was bedeutet der Begriff Agglomerationseffekte

Wie stark wirken sich diese Effekte aus

Welche Wünsche haben die Zugezogenen beim Einkaufen?

Welche Rolle spielt die Digitalisierung

Welche Möglichkeiten gibt es, um die Zugezogenen besser in die Gemeinschaft einzubinden?

Wie kommt es zu einer Integration der Zugezogenen in die lokale Wirtschaft?

Welche Best Practice Beispiele gibt es zur wirtschaftlichen Einbindung der Zugezogenen?
- Projekt Identität Marchfeld 2.0
- Marketing und Kommunikationsmaßnahmen
Bergdietikon Ausflugsfahrt durch die Gemeinde, dabei werden Betriebe vorgestellt inkl. Verkostung
Die LEADER Region Weinviertel Ost entwickelte mit 48 Gemeinden eine Zuzüglerinnen- und Zuzügler-
Mappe: wichtige Kontaktdaten, vorhandene Infrastruktur, Sehenswertes über die gesamte Region inkl.
Kinderteil sind vorhanden.
- ARL (2001): Stadt-Umland-Probleme und Entwicklung des großflächigen Einzelhandels in den Ländern Mittel-und Südosteuropas. Verlag ARL: Hannover.
- Data.gv.at: Wanderungen nach Gemeinden. https://www.data.gv.at/katalog/dataset/cb45bff3-65f5-46a2-b340-516f3994a41e
- CIMA (2014): Einzelhandelsstruktur-und Kaufkraftstromuntersuchung (KANO 2014). Landesbericht und Region NÖ Mitte.
- Forschungsnetzwerk.at: Wie Zuzug gelingt: Hintergründe, Methoden und Beispiele für die Arbeit in Gemeinden. http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/1099_HB_Wie_Zuzug_gelingt.pdf[abgerufen am Südo01.11.2020]
- GESEMANN, F. (2009): Lokale Integrationspolitik in der Einwanderungsgesellschaft: Migration und Integration als Herausforderung von Kommunen. Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden.
- GIFFINGER, R., KRAMAR, H., LOIBL, W. (2001): Suburbanisierung in Österreich: ein steuerbarer Trend der Siedlungsentwicklung? in ARL: Stadt-Umland-Probleme und Entwicklung des großflächigen Einzelhandels in den Ländern Mittel-und steuropa. Verlag der ARL-Hannover.
- HEINRITZ, G., KLEIN, K., POPP, M (2002): Geographische Handelsforschung. Borntraeger, Berlin, Stuttgart.
- KÖSLICH, D. (1995): Strukturwandel im Einzelhandel. Universitätsverlag Rudolf Trauner. Linz.
- LGBI.8000/24 / §53 NÖ ROG 2014
- MAIER, J. (2001): Zur Einführung: Gesellschaftlicher Strukturwandel und Veränderung der Raumstruktur im Stadt-Umlandbereich unter besonderer Berücksichtigung der Suburbanisierungsprozesse in ARL: Stadt-Umland-Probleme und Entwicklung des großflächigen Einzelhandels in den Ländern Mittel-und Südosteuropa. Verlag der ARL. Hannover: 2001.
- Oieb.at (2014): Motivation und Zufriedenheit von Zuzüglern ins Wiener Umland: Zusammenfassung, Resümee, Empfehlungen. Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung. St. Pölten: 2014.https://www.oieb.at/upload/3069_8_OIEB-Zuzuegler_Zusammenfassung.pdfRICHTER, B: Regionalbeispiel Österreich: Entwicklung, Strukturen, Standorte und Entwicklungstendenzen des großflächigen Einzelhandels in inARL: Stadt-Umland-Probleme und Entwicklung des großflächigen Einzelhandels in den Ländern Mittel-und Südosteuropa. Verlag der ARL. Hannover: 2001.
- Statistik.at: Wanderungen innerhalb Österreichs (Binnenwanderung) 2019 nach Alter, Geschlecht und Distanz.https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/wanderungen/wanderungen_innerhalb_oesterreichs_binnenwanderungen/index.html[abgerufen am 21.11.2020]Statistik.at: Gemeinden: regionale Gliederungen. https://www.statistik.at/web_de/klassifikationen/regionale_gliederungen/gemeinden/index.html[abgerufen am 29.11.2020]
- WEBER, T., LORD, S., STEINBISS, K., FRÖHLICH, E., (2018): Marketing: Theorie und Praxis. UKV. Konstanz
Unsere Gastautorin
In meinem Studium Raumforschung und Raumordnung an der Universität Wien habe ich ein großes Interesse für den Bereich Stadtentwicklung mit alle seinen Facetten entwickelt. Das Thema Binnenwanderung und der Umgang hierbei stellt ein wichtiger Teil dar. Welche Auswirkungen das auf die lokale Wirtschaft hat und wie hierbei unterstützend eingegriffen werden kann, bleibt dabei oftmals außen vor. Ich finde gerade diese Kombination von Zuzug mit der Thematik lokaler Wirtschaft sehr faszinierend. Zudem forsche ich gerne im Feld und schätze es mit den Betroffenen in persönlichen Kontakt zu treten und hierbei neue Perspektiven zu eröffnen.
